Bayern ist auf den Strom aus Windenergie angewiesen. Doch jetzt drohen die angestoßenen Projekte in Süddeutschland wieder ins Stocken zu geraten. Denn nach Ankündigungen der Berliner Koalition könnte die Finanzierung mit Hilfe des so genannten Referenzertragsmodells erneut in Frage stehen. „Wir brauchen aber dieses bewährte Instrument zum Ausgleich von unterschiedlichen Standortgüten in seiner derzeitigen Form, um die Windkraft überall und vor allem auch in Bayern zu ermöglichen!“, macht der Landesvorsitzende des Bundesverbands WindEnergie e.V. (BWE) in Bayern, Dr. Bernd Wust, deutlich.
Die Windenergie im Süden Deutschlands liefert den Strom außerhalb der Erzeugungsspitzen der Photovoltaik und ergänzt sich damit gut mit Sonnenstrom – sowohl im Hinblick auf die Erzeugung als auch auf die Netzauslastung. Ohne mehr Windstrom gerade in Süddeutschland drohen laut BWE Bayern angesichts des langsamen Ausbaus der Übertragungsnetze weitere Eingriffe der Netzbetreiber, z. B. durch das Hochfahren von Gaskraftwerken, und somit steigende Kosten.
„Durch Windenergie, Photovoltaik und Speichertechnologie gemeinsam mit flexiblen Biogaskraftwerken und der Möglichkeit, die Stromnachfrage durch Smart Meter an Preissignalen auszurichten, sind wir in der Lage, die Energieversorgung in Bayern langfristig sicherzustellen“, zeigt sich Wust überzeugt. Gelingt das in Bayern nicht, werde das mittelfristig zu geteilten Strompreiszonen und damit Preissteigerungen führen. „Der stetige Ausbau der Windenergie liegt deshalb ganz im urbayerischen Interesse“, so Wust.
Hintergrund für die aktuellen Bedenken des BWE Bayern ist der Koalitionsvertrag von Union und SPD, nach dem „das Referenzertragsmodell auf Kosteneffizienz unter anderem hinsichtlich unwirtschaftlicher Schwachwindstandorte“ zu überprüfen sei. Das so genannte Referenzertragsmodell (REM) stellt sicher, dass Windenergieanlagen möglichst dezentral und gleichmäßig verteilt in ganz Deutschland entstehen und insbesondere auch den wirtschaftsstarken Süden verbrauchernah mit Strom versorgen können.
„Es geht also nicht darum, unwirtschaftliche Standorte zu ermöglichen, sondern eine Vergleichbarkeit und damit auch einen Ausgleich zwischen den deutschlandweit sehr unterschiedlichen regionalen Wind-Bedingungen herzustellen“, erläutert der Landesvorsitzende des BWE Bayern den eigentlichen Zweck des REM.
Die heute veröffentlichte Analyse der Fachagentur Wind & Solar zeigt, dass ein Verzicht auf die im Vergleich mit dem Norden windschwächeren Standorte im Süden gerade für die Stromversorgung in Bayern fatale Folgen hätte.
Laut der neuen Studie der Fachagentur hat der durchschnittliche Windenergiestandort in Deutschland derzeit eine Standortgüte von 74% des gesetzlich definierten 100%-Referenzstandorts. Insbesondere in Norddeutschland finden sich mehr Standorte mit einer höheren Standortgüte, im Süden sind Standorte mit schwächerer Standortgüte häufiger.
Das Referenzertragsmodell hilft dabei, bei der EEG-Vergütung die unterschiedlichen Standortgüten zu berücksichtigen. Es beginnt deshalb bei einem Wert von 50% des Referenzstandorts. Dass das sinnvoll und notwendig ist, zeige sich an den jetzt von der Fachagentur veröffentlichten Zahlen, so Wust. Die durchschnittliche Standortgüte in Bayern beträgt demnach 55%.
„Gerade in Süddeutschland haben wir viele energieintensive Unternehmen, die auf eine sichere, stabile, aber vor allem auch wirtschaftliche Energieversorgung angewiesen sind“, so Dr. Ariane Lubberger, Geschäftsstellenleiterin des Landesverbands Erneuerbare Energien Bayern (LEE Bayern). „Um die heimische Wirtschaftskraft nicht zu gefährden, muss der Ausbau der Windenergie in Bayern wie geplant weitergehen“, fordert sie.
Denn für eine stabile und kostengünstige Stromversorgung ist es wichtig, Erzeugungsanlagen und Abnehmer möglichst gleichmäßig im Netz zu verteilen. So können Leistungsschwankungen durch lokale Wetterbedingungen oder Netzengpässe ausgeglichen werden.
„Das Referenzertragsmodell sichert zusammen mit den bundesweiten Flächenzielen den gleichmäßigen Ausbau der Windenergie in ganz Deutschland und ist ein sehr bewährtes Ausgleichsinstrument“, sagt die LEE-Sprecherin. Eine Novellierung dürfe daher keinesfalls zu einer Verschlechterung der aktuellen Ausbausituation und Ausschreibungsergebnisse führen, mahnt Lubberger. „Für Bayerns Industrie und Wirtschaft wäre das fatal“.